Auslöser ist zum einen die morgendliche Tramfahrt, zum anderen aber auch das Buch, das ich gerade lesen, in dem es um den sogenannten Schmetterlingseffekt geht; wenn man kleine Dinge in der Vergangenheit ändert und wie sich diese dann auf die Zukunft auswirken können - zum Teil sogar drastisch.
Während ich in der Tram sitze, habe ich mir angewöhnt zu lesen, sodass ich zumindest diese 2x30min. am Tag in Ruhe lesen kann, aber in den letzten Tagen bin ich sehr oft einfach mit Musik auf den Ohren gefahren und habe dabei aus dem Fenster geschaut.
Da fahre ich also tagtäglich an diesem Gebäude vorbei, auf dem in grossen farbigen Lettern 'Photolito [...]' steht; die Storen runtergelassen, drinnen am Monitor Blendeschutz, damit das störungsfreie Arbeiten am Bildschirm gewährleistet ist. Ich habe im Frühling vor vier Jahren einige Tage zwecks einer Schnupperlehre dort verbracht; die Leute waren unglaublich toll, die Arbeit spannend, lehrreich, kreativ und ja: mein Traum. Ausbildung zur Polygrafin EFZ, danach Weiterbildung zur Grafikerin. Das wollte ich - jahrelang. Jetzt stehe ich da mit dem Diplom zur Buchhändlerin EFZ und bin damit vollkommen zufrieden. Wieso dann doch nicht Polygrafin? Die Arbeit hat mir sehr gefallen, aber ich habe bemerkt, dass es mir zu viel Arbeit am PC ist und zu wenig Kontakt mit Menschen; zudem hätte ich in der Berufsschule wieder mit Physik zu tun gehabt und das ist wirklich nicht meine Stärke.
Da sass ich samstags wieder im Tram und habe mir die farbigen Lettern angeschaut und mir überlegt, dass ich noch ein weiteres Jahr Ausbildung vor mir hätte, wenn ich mich für diesen Ort entschieden hätte. Dann aber auch: Vielleicht wär's so viel besser gewesen.
Alle in meinem näheren Umfeld wissen, dass ich eine - wie soll ich sagen? - harte Lehrzeit hatte. Oder wie einer meiner Mitlernenden so schön sagte: eine Lebensschule.
Ich mag den Beruf! Ich bin stolz, sagen zu können, dass ich Buchhändlerin bin. Ich arbeite gerne mit Büchern und liebe es, wenn ich morgens vor Ladenöffnung alleine die Bücher ausräumen und Neuheiten bearbeiten kann. Ich habe viel über Typografie, Bindearten, Druckverfahren und die Geschichte des Buches gelernt, mir dieses Wissen angeeignet und gerne im Alltag angewendet.
Wäre ich Polygrafin geworden, hätte ich den Leuten zeigen können: Schau, an dieser Homepage oder jener Kampagne habe ich gearbeitet.
Als Buchhändlerin? Naja, ich verkaufe den Leuten Geschichten für den Sommer, zum Vorlesen, für die kranke Grossmutter oder den 7jährigen Neffen, von dem man nicht so genau weiss, ob der überhaupt schon liest. Und vielleicht ist das ja mindestens genauso wichtig wie das Arbeiten für "öffentliche Auftritte" (eben bspw. Homepages oder Werbebroschüren).
Ganz oft sind Kunden wieder zurückgekommen, weil ihnen eines der empfohlenen Büchern gefallen hat oder ich sie beim letzten Mal so toll beim eReading beraten habe; nicht selten habe ich - vor allem von älteren Kunden - zu hören bekommen, dass sie nur noch wegen mir hierher kommen und das, ich muss schon sagen, das ist wirklich schön.
Wie wäre es heute, wenn ich damals den Lehrvertrag in der Photolito unterschrieben hätte?
Ich habe mich samstags mit Cheyenne - einer lieben Freundin - darüber unterhalten und sie sagte: "Weisst du, ich glaube, dass wir vor allem von Menschen geprägt sind und werden." Und das sehe ich genau so. An der SfG (Schule für Gestaltung) hätte ich ganz andere Leute getroffen als an der Berufsschule in Bern; im Lehrbetrieb ebenso. Hätte ich beispielsweise Cheyenne nicht getroffen, Laura wäre immer noch nur das Mädchen eine Klasse über mir, hätte ich jetzt nicht Freunde in Nid-/Obwalden und Bern und so weiter und so fort.
Kurzum: Ich bin fertig. Ich bin - sozusagen - frei oder vielleicht trifft es das Wort befreit besser.
Und es wurde langsam Zeit.
Kurzum: Ich bin fertig. Ich bin - sozusagen - frei oder vielleicht trifft es das Wort befreit besser.
Und es wurde langsam Zeit.