Mittwoch, 9. September 2015

Lesen ist das Trinken von Buchstaben mit den Augen. (Hermann Lahm)

In den letzten Tagen bin ich glücklicherweise wieder des öfteren zum Lesen gekommen, denn das blieb in den letzten Wochen und Monaten leider ein bisschen auf der Strecke.
Ich kann mich erinnern, dass ich im Juni zuletzt wirklich gut gelesen habe und das ohne schlechtes Gewissen, denn zuvor standen entweder das Lernen auf die Abschlussprüfungen oder Bücher, die wichtig für's Geschäft waren, auf dem Plan. Tja, dann war der Sommer und noch die letzten Arbeitswochen da, die mich ziemlich geschafft haben, sodass ich abends ins Bett gefallen bin und wenn's hochgekommen ist, noch eine Folge von einer Serie geschaut oder bisschen im Internet gesurft habe bevor ich dann bald schon eingeschlafen bin. Und dann kam auch schon der Umzug. Da gab es so viel zu tun - mehr als ich dachte, weil es jetzt plötzlich nicht mehr nur ein Zimmer, sondern eine ganze Wohnung war -, dass ich kaum zum Lesen kam und spätnachts meist wieder sehr erschöpft ins Bett gefallen bin.
Das ist jetzt alles rum und wenn ich nicht gerade am Bewerbungen losschicken oder sonstwie beschäftigt bin, komm' ich endlich wieder zum Lesen und nehme mir die Zeit jetzt auch ganz bewusst, indem ich mir beispielsweise eine Tasse Kaffee oder Tee mache, um mich damit dann in den Garten zu setzen und: zu lesen.
Aus der Buchhändler-Zeit habe ich ja noch ganz viele übriggebliebene Bücher, die auf dem "zu lesen"-Stapel - der wohl mittlerweile den "gelesen"-Stapel übertroffen haben könnte - verstaubt sind. Jetzt kommen sie endlich zum Zug!

Gillian Flynn: Dark Places (2009) 
Viele von euch kennen den Namen Gillian Flynn wahrscheinlich vom Erfolgsroman Gone Girl, der von Kritikern gefeiert und Ende 2014 sogar verfilmt wurde. Mit dem Buch konnte ich mich nicht anfreunden, aber der Film hat mir dann doch ganz gut gefallen.
Ich habe mir das Buch (wir sind jetzt wieder bei Dark Places) bereits um die Weihnachtszeit rum gekauft (wie das Buchzeichen mit winterlicher Schneelandschaft verraten hat) und bin dann bei Seite 193 stecken geblieben und habe nie weitergelesen. Irgendwie kam da wohl ein Schulbuch oder was dazwischen, denn ich kann mich erinnern, dass es mir eigentlich ziemlich gut gefallen hat. Als ich vorletzte Woche dann wieder damit angefangen habe, war ich auch sofort wieder drin (ach ja, ich habe nochmals von vorne angefangen, da die Geschichte und die Personenkonstellation recht komplex ist und man da mittendrin einfach verloren wäre)!
Libby Day, heute anfangs dreissig und die einzige Überlebende der Mordnacht vor über 25 Jahren. Ihr Bruder Ben - der damals fünfzehn Jahre alt war - sitzt seither wegen Mordes im Gefängnis. Doch jetzt - so viel später erst - macht sich Libby auf die Suche nach der Wahrheit. Was ist dort in dieser Nacht wirklich passiert? Haben ihre Erinnerungen sie getäuscht? Und kann man den Erinnerungen eines siebenjährigen Mädchens überhaupt trauen?
Es ist eine eher untypische Familiengeschichte, die Ausschnitte aus der Zeit kurz vor der Mordnacht beleuchten und das aus unterschiedlichen Perspektiven; mal aus der Sicht der Mutter, der kleinen Schwester Libby und/oder Bens Sichtweise auf die ganze Sache. Mir hat diese Erzählperspektive sehr gut gefallen, weil man so Einblick in die unterschiedlichen Gedanken und Gefühle erhält und sich so selbst den Fall zusammensetzen kann (was einem allerdings bis zum Schluss nicht gelingt).
Die Geschichte ist ziemlich verrückt, aber auch sehr packend. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und während der letzten - sagen wir mal - fünfzig Seiten war da immer dieses Gefühl von: "Was? Echt jetzt?!"  Ein richtig guter Thriller, der von mir 5 Sterne kriegt!

Nickolas Butler: Shotgun Lovesongs (2013) 
Dieses Buch habe ich mir letzte Woche in Luzern gekauft und: Ich war noch selten so bewegt von einem Buch. Ich könnte jetzt nicht mal sagen, dass es mein Lieblingsbuch ist (gibt es das überhaupt?),  aber es ist auf jeden Fall eine dieser Geschichten, die einem bewegen und womöglich noch das ganze Leben begleiten.
Es ist die Geschichte von fünf Freunden, die in einer kleinen Stadt im Norden der USA leben und dort fest verankert sind; schlussendlich läuft alles wieder auf diesen kleinen Ort mit dem Namen Little Wing in Wisconsin zurück. Die Freunde haben sich unterschiedlich entwickelt; einer wurde erfolgreicher Musiker und tourt um die ganze Welt; ein anderer Unternehmer, der jetzt in Chicago lebt; wieder ein anderer war früher bekannter Rodeoreiter, hat aber aufgrund seines Alkoholkonsums eine Hirnblutung erlitten und ist jetzt leicht "zurückgeblieben"; und dann noch Henry und seine Frau Beth, die gemeinsam mit ihren Kindern auf der Farm leben und wohl auch für immer dort bleiben werden. 
Es ist eine Geschichte von Freundschaft und Liebe, vom Weggehen und wieder Nachhausekommen, voller Nostalgie - kurz gesagt: einfach wunderschön. Des öfteren musste ich das Buch schon nach kurzer Zeit zur Seite legen, weil mich die Thematik sehr beschäftigt hat. Und immer wieder hätte man sich während des Buches gewünscht, man könnte jetzt mit Freunden und ein paar Bier um ein Lagerfeuer sitzen, dem Bach nebenan lauschen und die Rehe auf dem Feld beobachten. 

» Es gibt in deinem Leben manchmal Menschen, die sind so eine Art Schutzengel.
Menschen, die zur rechten Zeit den Hörer aufnehmen und dich anrufen, weil sie sich Sorgen um dich machen oder weil sie deine Stimme hören wollen.
Menschen, die dir sagen, dass es absolut okay ist zu weinen oder dass es jetzt an der Zeit ist, mit dem Weinen aufzuhören, sich zusammenzureissen und weiterzumachen.
Menschen, die dir sagen, dass du schön bist, dass du gut genug bist, dass sie dich lieben.«

Wolfgang Herrndorf: 
In Plüschgewittern (2012) 
Die Geschichte eines ewigen Herumtreibers, der mal hier und mal dort lebt, aber doch nirgends zuhause ist.
In Wolfgang Herrndorfs Roman geht es um einen Junggesellen wie er - wortwörtlich - im Buche steht.

Herrndorf schafft es in diesem Roman wieder einmal wunderbar aufzuzeigen, wie verloren wir manchmal in dieser Welt sind, schafft die Hoffnungslosigkeit mit seinem - teils ziemlich sarkastischen - Humor aber gleich wieder aus der Welt. Er versteht sich einfach wahnsinnig gut darauf dem Leser mit Wortwitz und zugleich viel Nostalgie und/oder Melancholie die Geschichte einer jungen Liebe nahezubringen. 
Ich muss zugeben, dass ich schon bessere Herrndorf-Romane gelesen habe, aber nichtsdestotrotz ist In Plüschgewittern eine lesenswerte Lektüre; mein liebstes war sein letzter, unvollendeter Roman Bilder deiner grossen Liebe, den ich im letzten Herbst gelesen habe.

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So, das waren meine letzten drei Bücher und ich muss sagen, dass alle drei ziemliche Glückstreffer waren, denn alle haben mich auf ihre Art und Weise begeistert oder fasziniert.
Parallel lese ich noch Bill Brysons Eine kurze Geschichte von fast allem - aber das meistens abends im Bett mit dem Notizblock zur Hand, weil da so viel Wissenswertes drinsteht. Wusstet ihr beispielsweise, dass man sehen könnte, wenn auf dem Mond jemand ein Streichholz anzünden würde? Oder dass das Rauschen (das sogenannte Schneegestöber) im Fernseher ein winzig kleines Überbleibsel vom Urknall ist? Wir sollten uns also besser nicht mehr beschweren, wenn das mal wieder auftaucht, sondern daran denken, dass das ein bisschen unserer Entstehungsgeschichte ist. 
Als nächstes auf der Liste stehen Cry Baby (ein weiterer Thriller von Gillian Flynn) und Der Komet im Cocktailglas: Wie Astronomie unseren Alltag bestimmt von Florian Freistetter.
Wie ihr vielleicht bemerkt habt, interessiere ich mich sehr für Astronomie; das kommt daher, dass ich unbedingt so viel wie möglich darüber erfahren möchte, wie wir entstanden sind und wieso wir heute so leben wie wir eben leben. Und all die Ideen, die die Forscher zu den Ergebnissen gebracht haben, die heute die wichtigsten Grundlagen der Physik bilden - das ist doch Wahnsinn, oder?

Die Abendsonne scheint gerade so schön im Garten und ich werde mich jetzt mit einem Buch nach draussen setzen und noch die letzten Sonnenstrahlen geniessen. Euch einen schönen Abend und bis bald!

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